Die Fronleichnamskirche, seit 1. Januar 2005 einzige katholische Pfarrkirche im Ostteil der Stadt Aachen, und die Josefkirche, seit 1. Januar 2006 Grabeskirche, sind markante Wahrzeichen eines Wohn- und Geschäftsquartiers, das um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, also in der Gründerzeit, entstand als Außenbezirk des Kernbereichs der Innenstadt außerhalb des Alleenrings vom Kaiserplatz in Richtung Osten. Der neue Stadtteil entwickelte sich in den folgenden Jahren bis zu Beginn des 2. Weltkrieges rasch.
Diese Tatsache hatte zur Folge, dass bereits 1898 die Josefkirche und 1930 die Fronleichnamskirche gebaut wurden, um die rapide ansteigende Bevölkerung seelsorglich zu betreuen. Der 2. Weltkrieg unterbrach zunächst diese Entwicklung. Schwere Schäden durch Bombeneinwirkung erlitt insbesondere der untere Teil des Ostviertels, der unmittelbar in die City mündet, wohingegen der obere Teil des Ostviertels weniger betroffen war auf Grund der größeren Entfernung zur City.
Beispiel für die unterschiedliche Betroffenheit des Ostviertels waren die beiden Kirchen. Am 28. Mai 1944 wurde die Josefkirche durch Brandbomben total zerstört, dagegen wurde die Fronleichnams-kirche erst im Kampf um Aachen im September/Oktober 1944 durch 2 Artillerieeinschläge in der Chorwand beschädigt.
Nach Kriegsende erlebte der obere Teil des Ostviertels im Hinblick auf seine geringen Bauschäden einen Bevölkerungsansturm aus der ausgebombten Innenstadt, der erst wieder abebbte, als allmählich wieder Leben in der Innenstadt 1948/49 aufkeimte, so dass die alten Sozialstrukturen – unterer Teil des Ostviertels bürgerlich geprägt, oberer Teil des Ostviertels arbeiterintensiv orientiert – wieder sichtbar wurden.
Im weiteren Verlauf der 50er und 60er Jahre litt der Bezirk unter erheblichen Mängeln im städtebaulichen, verkehrstechnischen und kulturellen Bereich. Die Beseitigung dieser Mängel ließ lange Zeit auf sich warten, da naturgemäß der Vorzug der Innenstadt galt.
Mit Hilfe von Interventionen nicht zuletzt aus den Pfarrgemeinden wurde auch das Ostviertel saniert bzw. mit Innovationen bedacht. Instandsetzung des großen städtischen Altbaubesitzes, Errichtung von Neubauten, Grünflächenerweiterungen (Kennedypark), verkehrstechnische Umgestaltungen, Auffächerungen des Schulangebotes sowie der Bau zweier Pfarrheime in kirchlicher Trägerschaft waren Meilensteine auf dem Weg zur Normalisierung und Gleichbehandlung mit anderen Stadtteilen.
In den 70er, 80er und 90er Jahren etablierte sich bis auf den heutigen Tag eine hohe Zahl ausländischer Mitbürger auf Grund relativ billigen Wohnraums. Zur Zeit beträgt der Ausländeranteil gemessen an der deutschen Bevölkerung 29%; davon entfallen 40% allein auf Mitbürger türkischer Herkunft. Zählt man dazu noch eine beträchtliche Anzahl Russlanddeutscher, so geht man nicht fehl in der Annahme, dass das Ostviertel ein Schmelztiegel der verschiedensten Kulturen darstellt. Was auf der einen Seite Weltoffenheit signalisiert, bedeutet auf der anderen Seite nicht leicht zu lösende ethnische Probleme, denen wir durch Gemeinschafts- und Bildungsangebote zu begegnen versuchen. Das Bürgerzentrum in der Schleswigstraße (früher Pfarrheim), die „Offene Tür“ im Kirberichshofer Weg (ebenfalls früher Pfarrheim) sind solche Stätten, in denen neben zweier Kindertagesstätten entsprechende Aktivitäten seit geraumer Zeit erfolgen.
Zur Zeit leben im Ostviertel 17.900 Menschen auf einer Fläche, die sich von der Friedrichstraße bis zu Bahnhof „Rothe Erde“ und von der Augustastraße bis zum Europaplatz erstreckt. 6.900 Menschen sind katholischen Glaubens. Eine, wenn auch starke Minderheit an Christen, die durch evangelische und orthodoxe Christen noch ergänzt wird, aber 50% insgesamt kaum überschreitet. Daraus folgt, dass viel Engagement von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitern erforderlich ist, um christliches Bewusstsein zu erhalten und neu zu vermitteln.
Am 28. Juni 1914 wurde in Sarajewo der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand ermordet. Einen Monat später begann der Erste Weltkrieg. Vierzig Staaten waren an ihm beteiligt und 17 Millionen Menschen fielen ihm zum Opfer.
Die Kirchen schickten mit Festgottesdiensten die Soldaten ins „Feld", so auch in Aachen. Am Samstag, dem 1. August hingen überall Anschläge, die den drohenden Kriegszustand ankündigten. Gegen 16 Uhr hieß es :"Mobilmachung". Die Pfarrchronik von St. Josef berichtet: „Alle Kirchenglocken läuteten. Die Gottesdienste am Sonntag waren überfüllt. Auf großen Flugblättern wurden die Soldaten vor dem Einrücken zum Empfang der Sakramente aufgefordert."
Und weiter berichtet die Pfarrchronik: „ Am 5. August hielt Pfarrer Bohn das Hochamt als Votivmesse „tempore belli-zur Zeit des Krieges". Am Sonntag. dem 9. August war 13 stündiges Gebet. Mehrmals hielt man Kollekten für die Familien der ausgerückten Soldaten. Fortan war an allen Sonntagabenden „Kriegsandacht". Bei den Werktagsmessen wurden drei Vaterunser für den Sieg unserer Waffen gebetet."
2. Teil
Katholiken begrüßten den Waffengang Deutschlands mit großer Mehrheit. Doch fanden sich vereinzelt auch Friedensstifter. Die Völker Europas waren überzeugt von der Gerechtigkeit ihrer guten Sache und glaubten an eine Notwehrsituation. Dabei hatten Politiker aller Parteien vor einem Erschöpfungskrieg in Europa gewarnt, doch die zeitgenössischen Akteure konnten sich friedenspolitisch nicht durchsetzen.
Nur der Papst, BenediktXV. wurde zum Garanten der Friedensbotschaft. Während des gesamten Ersten Weltkrieges hindurch versuchte er, geistig und humanitär zu helfen. Doch wurden seine Initiativen einerseits wohlwollend zur Kenntnis genommen, andererseits stellte man seine Neutralität in Frage.Was schließlich blieb waren umfangreiche humanitäre Hilfen, für die ihm alle Beteiligten große Anerkennung zollten.
Der erste Weltkrieg erschütterte das Gefüge Europas bis ins Mark. Der herrschende Adel wurde hinweggefegt, König-und Kaiserreiche zerbrachen. Es entstand ein neues Machtgefüge. Deutschland war davon nicht ausgenommen. Die Revolution brachte die Republik.
Über Kriegsgründe, Kriegshetzer und Friedensstifter kann man sich umfangreich zum „Hundertjährigen" informieren. Vielleicht können diese Hintergründe auch für die jetzige Kriegsgefahr in Osteuropa hilfreich sein.
Kehren wir zur Pfarrchronik zurück: Bei den anfänglichen Siegen des deutschen Heeres hatten auf Anforderung von Oberbürgermeister Veltmann stets die Kirchenglocken geläutet. Im Sommer 1917 verlor die Pfarre die mühsam beschafften Glocken. Alle bis auf die älteste kleine Glocke im Dachreiter mußten zu Rüstungszwecken abgegeben werden. Pfarrer Bohn schrieb:" Draußen auf dem Kirchplatz lud man sie auf ihren Totenwagen und fuhr sie von dannen." Auch die Prospektpfeifen der Orgel aus Zinn wurden beschlagnahmt.
Der Krieg verlangte von der Bevölkerung viele auch materielle Opfer. Viele kirchliche Gebäude wurden beschlagnahmt, als Lazarett eingerichtet oder als Unterkunft für neue Rekruten benutzt. Viele Schüler erhielten nur Halbtagsunterricht. Wegen der zunehmenden Berufstätigkeit der Mädchen und Frauen gründete Pfarrer Bohn mit anderen Pfarrern einen "Verein der katholischen Handwerksgehilfinnen".
Alle der Bevölkerung aufgezwungenen Opfer blieben umsonst. Deutschland war am Ende. Am 11. November 1918 wurde der Waffenstillstand unterzeichnet. Nun setzte der Rückstrom der deutschen Armee ein. Pfarrer Bohn schrieb:"Ein trostloses Bild: Klägliche Reste. Trümmer eines großen Heeres. Es war ein Jammer so etwas erleben zu müssen". Am 30. November rückten die ersten belgischen Besatzungstruppen ein.
Die Pfarre hatte 306 Gefallene zu beklagen. An sie erinnerten Totentafeln in einer eigens geschaffenen Kriegergedächtniskapelle im Haupteingang der Kirche. Diese sind heute noch im Keller der Kirche vorhanden und mahnen uns zum Frieden.
J. Dieter Freyaldenhoven
Vor 70 Jahren am 28. Mai 1944 schlugen Bomben in St. Josef ein und zerstörten die Kerzensakristei, den Flankierungsturm und große Teile des Gewölbes. Es war ein kurzer und heftiger Angriff von nur 12 Minuten mit 135 Flugzeugen der Briten, der in der Hauptsache dem Stadtteil Forst galt. Allein an diesem Tag hatte die Pfarre 94 Tote zu beklagen.
Schon in der Nacht vom 13. zum 14. Juli 1943 hatte die Kirche durch Funkenflug, der von der Feuerwehr nicht gelöscht werden durfte, Turmhelm und Dachstuhl verloren. Die Kaplaneien, das Pfarrheim Düppelstraße und das Kloster Marien Linde brannten aus. Die unmittelbare Folge des Angriffs vom 28. Mai war, dass die Kirche nun nicht mehr benutzt werden konnte. Pastor Tholen musste mit seiner Gemeinde nach St. Fronleichnam umziehen, was insofern noch anging, da Pfr. Tholen dort Pfarrverwalter war. Lediglich für die Körperbehinderten wurde eine Messe in der Sakristei der zerstörten Kirche angeboten. Kirchgang in der Endphase des Zweiten Weltkrieges war kein einfaches Unterfangen. Die teilnehmende Personenzahl war seitens staatlicher Stellen schon 1941 begrenzt worden. Die Folgen waren Messen im Akkord. Alle 30 Minuten mussten Pfr. Tholen und seine nicht eingezogenen Kapläne zelebrieren.
St. Josef erhielt etwa 70 Treffer. Da deutsche Einheiten im Turm von St. Josef eine Beobachtungs- und Funkstelle eingerichtet hatten, wurde die Kirche von der Trierer Straße stark beschossen. Nichts vom Eigentum der Pfarre blieb unzerstört, außer dem Grab der Pfarrer auf dem Ostfriedhof.
Keine Pfarrei der Stadt wurde durch den Krieg so heimgesucht wie St. Josef. 94 Pfarrangehörige fanden im Bombenkrieg den Tod, 302 Gemeindemitglieder fielen an der Front. Die vom Militär theatralisch benannte „Luftschlacht um England" forderte allein in London 20 000 Todesopfer. Dies dürfen wir nicht vergessen, wenn wir der Bombenangriffe auf Aachen und der Angriffe auf St. Josef gedenken. Nach dem Krieg kamen die evakuierten Öcher in ihre zerstörte Heimatstadt zurück. Als die Fronleichnamskirche für den Gottesdienst wiederhergestellt war, begannen die ersten Arbeiten an St. Josef. 1947 konnte Pfr. Tholen die erste Messe in einer Notkirche feiern, und 1951 feierte Bischof van der Velden in der wiedererstandenen St. Josefskirche ein Pontifikalamt. Heute ist die Josefskirche fast vollständig restauriert, nur wenige Kriegsspuren sind noch zu sehen. Am 1. November 2006 wurde die ehemalige Pfarrkirche zur Grabeskirche umgestaltet. „Gedenken und Erinnern heißt heute handeln", so formulierte es die Generalsekretärin Christine Hoffmann von Pax Christi. Wieder hat Deutschland eine Rüstungsindustrie, die weltweit mit zur Spitze gehört. Deutsche Waffen werden gerne eingesetzt, und es ist fast unmöglich diese Einsätze zu kontrollieren. Machen wir uns wieder schuldig? Das Schicksal der Josefskirche lehrt uns heute zu handeln, um Krieg und Grausamkeit gegen Menschen zu verhindern.
J. Dieter Freyaldenhoven
Startseite | Aktuelles | Kontakt | Impressum
Pfarrgemeinde St. Josef und Fronleichnam - Leipziger Str. 19 - 52068 Aachen